Seiten

Mittwoch, 29. September 2010

Blinde Wut

Lange hielt es sie auf Teldrassil nicht. Vor allem Kilean nicht. Er wusste, die größte Chance, Tandrals Erinnerungen wieder herzustellen wäre es, ihn mit dem zu konfrontieren, was den Verlust erst verursacht hatte.

Den Silithiden. Doch bis nach Silithus war es ein weiter Weg und oft wurden die beiden aufgehalten und um Hilfe gebeten. Ob es nun darum ging Relikte und Manuskripte aus einem uralten Höhlensystem am Zoramstrand zu bergen oder rebellierende Gefangene auszuschalten - die beiden Reisenden schlugen kein Gesuch nach Hilfe ab.

Sie gingen den Spuren einer verschollenen Schildwache nach und trafen dabei auf die blutdürstigen Worgen.

Doch im Eschental selbst sollte Tandral auch feststellen, dass Kilean eine Seite jenseits von Geduld, Vernunft und Vorsicht hatte.

Ihnen wurde aufgetragen, einige der rücksichtslosen Orcs auszuschalten, die in ihrer Gier den Osten des Eschentals rodeten. Der ruhige Druide verfiel regelrecht in einen Blutrausch. Ohne Gnade schlachtete er die Orcs ab. Erst nach einem eher engeren Scharmützel legte er eine Pause ein und bat die Kräfte der Natur um Heilung.

"Sei gefälligst vorsichtig, ich kann nicht immer auf dich aufpassen", blaffte Kilean seinen Gefährten an. 

"Ich frage mich eher, ob ich nicht besser auf dich aufpassen sollte", entgegnete Tandral ruhig.

"Was willst du mir damit sagen?"

"Sieh dich um." Tandral deutete auf das Land um sie herum. "Dies ist ein Schlachtfeld."

"Ich sehe nur sterbenden Wald", meinte Kilean zornig, "und Orcs, die dieses Land besudeln."

"Und ich sehe die Leichen, die deinen Weg pflastern, Freund."

"Worauf willst du hinaus?"

"Was glaubst du, hast du in den letzen Minuten getan?"

"Meine Pflicht. Die Natur vor diesen Monstern zu schützen", erwiderte Kilean überzeugt.

"Du schützt also die Rehe, indem du die Wölfe ausrottest."

Trotzig schwieg der Druide. "Das, was du hier angerichtet hast, wäre genau das."

"Sie gehören nicht hierher!", fuhr Kilean ihn an.

"Aber sie sind hier." - "Das kann und werde ich ändern." - "Blindheit hat uns schon einmal getrennt, Kilean."

"Sie haben Cenarius kaltblütig ermordet! Soll ich einfach zusehen, wie sie das Eschental dem Erdboden gleichmachen?!"

"Nein, aber das hier ist nicht der richtige Weg. Ich sehe, dass sie unseren heiligen Wald zerstören. Aber ich sehe auch den blinden Hass in deinen Augen. Würdest du vor einem Orckind haltmachen?"

"Ich...", stammelte Kilean unsicher. Zutiefst beschämt sah der Nachtelf zu Boden.

"Du bist der Druide von uns beiden. Deine Aufgabe ist es, das Leben zu schützen. Meine ist es, für unser Volk zu kämpfen. Lass du mir mein Aufgaben - auch wenn es Cenarius' Mörder sind, die wir am Leben lassen."

Langsam nickte Kilean. "In Ordnung. Übernimm du die Führung. Ich bleibe an deiner Seite. Lass uns unsere Aufgaben hier erledigen und dann von hier verschwinden."

Viele Kämpfe meidend und nur tötend, wenn es unausweichlich war, setzten sie ihren Weg fort.


Später, im nebligen Licht der Abenddämmerung stieg Kilean noch einmal auf einen Hügel am Rand des Lagers. Über die gerodete Fläche blickend, überlegte er, ob sie nicht einen Fehler machten. Aber doch gab er Tandral Recht. Er war blind vor Wut gewesen.

Freitag, 17. September 2010

Sonnenuntergang


Einige Zeit später wanderten die beiden Nachtelfen wieder durch den Wald in Teldrassils Krone. Der Zirkel hatte dem Druiden lediglich eine Prüfung auferlegt - er hatte seine Künste lange vernachlässigt und musste sich den Tiergeistern erst wieder als würdig erweisen.
"Die Sonne geht langsam unter", bemerkte Kilean unvermittelt. Tandral stoppte und sah ihn an. "Möchtest du rasten?" Der Druide lächelte. "Nein, ich erinnere mich nur gerade daran, dass wir uns das erste Mal im Licht der Abendsonne begegnet sind."
Tandral schwieg einen Moment lang. "Dann lass uns eine Rast einlegen und du erzählst mir davon."

Sie setzten sich auf eine Erhöhung am Rande Teldrassils, so dass sie die untergehende Sonne beobachten konnten, dann fing Kilean an zu erzählen.
"Wusstest du, dass du der ältere von uns beiden bist? Mehr als dreitausend Jahre trennen uns." Der Druide lächelte einen Moment und schien seine Erinnerungen zu sammeln. "Ich hatte damals einen geheimen Ort im Eschental. Ein großer Baum inmitten einer Waldlichtung. Das war mein Ort ganz für mich allein und ich war recht oft dort. Irgendwann muss ich beim Dösen in der Sonne dort wohl eingeschlafen sein. Als ich wieder wach wurde, war es schon Abend und die Sonne neigte sich langsam dem Horizont zu." Er machte eine Pause. "Obwohl wir im Einklang mit der Natur lebten, war der Wald bei Nacht nicht ohne Gefahr. Ich war damals noch ein ziemlicher Angsthase und noch nicht in die Künste der Druiden eingewiesen worden." Er grinste. "Aber ich nahm mir vor ganz mutig zu sein und nach Hause zu gehen. So rechten Erfolg hatte ich damit nicht, ich habe mich dann ziemlich im Wald verlaufen und ganz verzweifelt zur Lichtung zurückgegangen. Immerhin wäre ich dort bestimmt sicher, dachte ich."
"Und?", warf Tandral ein. "Als ich dort ankam, war die Lichtung nicht leer, wie sonst immer. Im Schatten des Baumes, in dem ich immer döste, saß jetzt jemand anderes. Das warst du. Du warst zu Anfang ziemlich genervt, als du dich mit so einem Jungspund wie mir rumärgern musstest. Mich angefahren ich solle mich wie ein Mann verhalten und nicht wie eine Memme. Und was ich um die Zeit hier zu suchen hätte."
"Ich muss ziemlich unsympathisch gewesen sein..."
"Auf den ersten Blick schon, ja. Noch mehr in Rage getrieben hat dich dann, dass ich dich einfach ignoriert habe. Bin an den Rand der Lichtung gegangen und mich da hingehockt, von dir weggedreht. Du hast nie gemocht, wenn man dich stehen lässt. Einige Minuten hast du mich einfach nur zornig zusammengebrüllt und gedroht, meinen Eltern von meinem Verhalten zu erzählen und was ich eigentlich glaube wer ich sei. Ich hab nur entgegnet, dass meine Eltern tot sind. Darauf warst du ziemlich still und wurdest auf einmal richtig freundlich. Hast dich bei mir entschuldigt und mir angeboten, mich durch den Wald zu bringen. Ich nahm dein Angebot an, und als du dich von mir verabschiedest, meintest du nur, dass es dich freuen würde, wenn ich mal wieder die Zeit vergessen würde, mit einem verschwörerischen Lächeln auf den Lippen."
"Und... hast du sie vergessen?"
"Absichtlich, jedes Mal." Kilean grinste. "Aber du kamst lange nicht mehr. Beinahe sechs Monate lang nicht und weil ich enttäuscht war, ging ich nicht mehr so oft zur Lichtung. Dann aber saßst du dort schon als ich auf der Lichtung ankam. Du bist aufgestanden, hast mich angelächelt und gesagt, du hättest mich vermisst. Deinen zweiten Satz von damals habe ich nie vergessen." Fragend sah Tandral ihn an. "'Egal wie lange es dauert, ich komme immer zu dir zurück. Wir sind schließlich Freunde, nicht wahr?'", antwortete Kilean und versuchte dabei die Stimme des Kriegers zu imitieren.
Der grünhaarige Nachtelf lächelte kurz. "Scheint, als hätte ich mein Versprechen gehalten." Kilean nickte. "Habe ich dir damals verraten wo ich so lange war?"
Der Druide lachte laut. "Abstruse Geschichten hast du mir erzählt! Mit den Wolken im Himmel habe ich getanzt! Mit den Fischen im Meer bin ich geschwommen!" Er hielt inne. "Irgendwann habe ich einfach akzeptiert, dass es ein Geheimnis sein soll und nicht mehr gefragt."
"Ich werde sicher meine Gründe gehabt haben." Der Krieger zögerte einen Moment. "Und wann... hat sich mehr zwischen uns entwickelt?"
"Das war erst ein Jahr darauf. Es kommt mir vor als wär's gestern. Du standest vor mir, hast gestottert und gezittert. Ich hatte keine Ahnung was los war. Du meintest, du müsstest mir unbedingt etwas ganz Wichtiges sagen. Und egal was das sei, ich musste dir bei Elune versprechen dass wir immer Freunde sein würden."
"Ich glaube, das war mir ziemlich peinlich", meinte Tandral leise.
"Ich fand es niedlich, dich so zu sehen", entgegnete Kilean und der Krieger errötete sichtlich. "Du sagtest mir dann, dass ich für dich mehr wäre als nur ein Freund. Dass du mich lieben würdest wie man es sonst nur eine Frau tut", fuhr der Druide fort. "Ich war anfangs ziemlich verwirrt und wusste nicht, was ich sagen sollte. Also schwieg ich. Du warst so enttäuscht, dass du einfach nur wegliefst und wochenlang verschwandest. Ich hab dann überall gesucht, weil es mir aus irgendeinem Grund wehtat, dich nicht bei mir zu wissen. Auf den einfachsten Ort kam ich nicht. Erst nach einer Weile ging ich wieder zur Lichtung, wo wir uns immer getroffen hatten." Kilean streckte sich kurz und blickte den vorbeiziehenden Wolken nach.
"Ich war erleichtert, dich dort dann zu sehen. Als du mich bemerktest, hast du dich von mir weggedreht. Du sahst traurig aus, das war das erste Mal, dass ich dich so sah. 'Bei den Wolken und bei den Fischen hab ich dich gesucht. Aber hier beim langweiligen Baum sitzt du. Warum versteckst du dich vor mir, wenn du mich doch liebst?', habe ich dich gefragt. Du musstest lachen und meintest, du versteckst dich, weil ich dich nicht lieben würde. Aus einem Impuls heraus ging ich auf dich zu, 'Das stimmt nicht' erwidert und dich geküsst." Er lächelte verlegen, während der Krieger wieder rot wurde. "Du hast mich umarmt, leise 'Danke' geflüstert und bist dann einfach eingeschlafen."
Tandral starrte in die untergehende Sonne. "Beinahe einen ganzen Tag lang hast du in meinen Armen gelegen und geschlafen. Du musstest ziemlich erschöpft gewesen sein. Das erste was du sagtest, als du wieder wach wurdest war 'und ich dachte, ich hätte es nur geträumt.'"
"Ich muss dich sehr geliebt haben."
"Ja, aber deine Familie war wenig begeistert davon. Dein Vater war außer sich vor Zorn, als er davon erfuhr. Er hatte nur Gedanken für die Schande, die du über den Weg des Kriegers bringen würdest, übrig."
"Ich glaube, so denkt er noch heute. Sein Blick war so kalt...", murmelte Tandral niedergeschlagen.
"Danach waren wir offiziell nicht mehr zusammen. Wir trafen uns nur noch heimlich."
"Kam er dahinter?"
"Ich weiß es nicht. Als ich nach Silithus geschickt wurde und du einen Tag später dem Zirkel freiwillig deine Hilfe anbotest, fühlte er sich in seinem Verdacht wohl bestätigt. Als der Kampf gegen die Silithiden vorbei war, kam dein Vater zu mir und warf mir vor, ich sei der einzige Grund, weshalb du gestorben wärst. Als ich erwiderte, dass ich das einzige war, was dich glücklich gemacht hat, spuckte er vor mir auf den Boden und riet mir, ihm nie wieder unter die Augen zu treten, wenn mir mein Leben lieb sei."

Sie unterhielten sich noch eine Weile, bis die Sonne ganz hinterm Horizont verschwunden war. Der Druide musterte den Krieger, der sehr nachdenklich wirkte. "Ich weiß, dass das alles sehr viel für dich ist... aber setz dich nicht unter Druck. Lass dir Zeit. Finde erstmal dich selbst, bevor du versuchst jemand zu sein, der du nicht bist."
"Danke... und danke, dass du das für mich tust. Lass uns weitergehen, unsere Rast war lang genug." Kilean nickte. Er sah noch ein letztes Mal zum Horizont, der noch leicht rötlich gefärbt war. Die Luft roch nach Abenteuer, fand er.

Donnerstag, 16. September 2010

Der Anfang eines neuen Lebens

Kilean konnte seinen Augen nicht trauen, als er schließlich als er den Verletzten dann endlich erblickte.
"Das... das ist völlig unmöglich. Er ist es wirklich."
Tandral lag auf einem der Betten und schlief. Die Hälfte seines Gesichts war in einen Verband gehüllt, die Gerüchte, er habe ein Auge verloren, schienen wahr zu sein. Der ganze Körper war von Narben bedeckt.
Kileans Hand zitterte, als er sie vorsichtig ausstreckte um den schlafenden Nachtelfen zu berühren. Er zögerte, als sei es nur eine Illusion, ein Traum der vergeht, wenn er ihn berührt.

Eine seltsame Mischung aus Freude, Unglauben und Angst durchfuhr ihn. Was würde Tandral sagen, wenn er aufwachte und ihn sah? Was, wenn er ihm übelnahm, dass er ihn aufgegeben hatte? Was, wenn er ihm vorwarf, ihm nicht zu Hilfe gekommen zu sein?

Er wollte sich umdrehen und langsam gehen, als Tandral leise stöhnte und die Augen öffnete. Erschrocken setzte er sich auf und robbte an die Bettkante, als er den verwaschenen Schemen vor sich sah. "Wer... wo..."
"Ich bin es doch, Kilean. Erkennst du mich nicht?"
"Ich... nein... ich erinnere mich an nichts."

Irgendetwas in Kilean brach. Hier war er. Der Mann, den er seit Jahrhunderten liebte. Ohne jegliche Erinnerung an ihn...
Er verbarg seine Enttäuschung so gut er konnte. Vielleicht kehrten seine Erinnerungen ja zurück? Er war schon froh genug, dass Tandral tatsächlich noch lebte.
"Ich werde kurz mit Byancie reden. Sie hat dich gesund gepflegt. Wenn du einverstanden bist, werde ich mich ab jetzt um dich kümmern."
Tandral nickte. "Danke... wer immer du bist."

Kilean eilte zu der Heilerin und erzählte ihr von dem Erwachen Tandrals, seinem Gedächtnisverlust, was er ihm bedeutete... und bat sie, ihn in seine Obhut zu übergeben. Sie nickte, ermahnte ihn aber auch, sich im Zaum zu halten und seine eigenen Gefühle nicht über das Wohl seines Freundes zu stellen.

Tief durchatmend ging Kilean zurück ins Gasthaus. Tandral hatte inzwischen angefangen sich die Beine zu vertreten und blätterte durch einige herumliegende Bücher. Aus den Augenwinkeln sah er Kilean näherkommen. Mit einem vorsichtigen Lächeln auf den Lippen drehte er sich um.
"Das freut mich", erwiderte er, als der Fremde ihm sagte, dass ... Byancie, wenn er sich recht entsann, einverstanden war. "Darf ich fragen... woher kennst du mich? Waren wir Freunde? Es tut mir Leid, dass ich mich nicht erinnern kann."
Kilean schwieg einen Moment lang. Diese Frage war genau jene, die er befürchtet hatte. Was sollte er sagen?
"Wir... wir waren weit mehr als Freunde", antwortete er nach einer kurzen Pause.
"Ich... ich verstehe nicht ganz."
Kilean drehte sich weg und erwiderte leise "Wir haben uns geliebt..."
Tandral schnappte überrascht nach Luft.
"Ich... ich lass dich jetzt besser allein", stieß Kilean hervor und eilte davon.

Der Druide stoppte erst beim Mondbrunnen hinter dem Gasthaus wieder und ließ sich an dessen Begrenzung nieder. Er starrte ins Wasser hinein und brachte mit einer schnellen Handbewegung das Wasser in Aufruhr, um sein Spiegelbild nicht sehen zu müssen. Aufgebracht wischte er die Tränen fort, die sich in seine Augenwinkel geschlichen hatten. Er hörte, wie Tandral näher kam, und beschloss, ihn zu ignorieren. Er hatte schließlich auch das Recht, für einen Moment allein zu sein, oder nicht?
"Weißt du, es tut mir Leid, dass ich mich nicht erinnere. Nicht mal an uns. Und es tut mir Leid, wenn ich nicht der sein kann, den du dir erhofft hast. Aber bitte gib mir Zeit...", sprach Tandral, während er auf sein Spiegelbild im Wasser starrte.
"Ich habe tausend Jahre gewartet", entgegnete Kilean und seine Stimme klang vorwurfsvoller als er beabsichtigt hatte. "Was sind da schon noch ein paar Tage, Wochen oder Monate mehr? Du hast soviel Zeit, wie du brauchst." 
"Danke. Lass uns irgendetwas tun. Irgendwem hier helfen oder dergleichen. Ich will mir die Beine vertreten und..." Er legte eine Hand an den Schwertgriff an seiner Seite. "... ausprobieren, ob die Schönheit hier hält, was sie verspricht." Ein Lächeln umspielte seine Lippen.

Sie brauchten nur wenige Minuten, um sich einen halben Hügel an Aufträgen zu ergattern. Vieles einfache Aufgaben, und sie machten sich sogleich an deren Erfüllung. Kilean beobachtete in der Zeit mit Genugtuung, dass Tandral trotz seines Gedächtnisverlusts immer noch meisterlich mit dem Schwert umging. Doch der neue Tandral steckte auch voller Überraschungen. Kilean war ein wenig verdutzt, als sie eine Höhle betraten und sein Begleiter zuerst nur zögernd hineinlugte. "Müssen wir da wirklich rein? Ich mein, kann ich nicht vielleicht draußen warten?" Der Druide musterte Tandral. Er wirkte wirklich verängstigt. "Keine Sorge. Ich bin ja dabei, dir passiert schon nichts." Nach einigen Ermunterungen und Versicherungen wagte sich der Krieger dann doch in die Höhle. Im Stillen nahm Kilean an, dass es mit der Zeit zusammenhing, an die er sich nicht erinnerte... zumindest nicht bewusst.
Während sie die verschiedenen Aufträge erledigten, erzählte Kilean dem Krieger ein wenig etwas über die Veränderungen in den letzten tausend Jahren. Vom Kampf gegen die Silithiden und später gegen die Brennende Legion... von Teldrassil und Darnassus... von neuen Verbündeten... und von Tandrals Familie.
Der Krieger bedankte sich für das Angebot Kileans, ihm Darnassus zu zeigen - dem Ort, an dem sein Vater und seine ältere Schwester jetzt lebten, wies es aber für den Moment zurück. Er war noch nicht sicher, ob er sie treffen wollte.

Doch das Schicksal hatte andere Pläne.
Schon bald wurden sie nach Darnassus geschickt und trennten sich in der Stadt vorerst.
Kilean hatte Dinge in der Enklave des Cenarius zu erledigen, und so war Tandral eine kurze Zeit auf sich allein gestellt.
Als sie sich wiedersahen, musterte Kilean den niedergeschlagen wirkenden Krieger.
"Was ist passiert?"
"Ich habe meine Familie getroffen. Oder eher das, was wohl vor tausend Jahren meine Familie war...", antwortete Tandral leise.
Kilean runzelte die Stirn. "Was soll das heißen?"
"Ich habe überlebt, aber meinem Vater ist es wohl lieber, ich wäre tot. Ich bin sogar vor ihm auf die Knie gefallen, aber mehr als einen wütenden, durchdringenden Blick hatte er nicht für mich übrig." Er ließ den Kopf hängen.
"Vielleicht... vielleicht brauchen sie einfach nur mehr Zeit", ermunterte Kilean den Krieger und biss sich auf die Lippe. "Es sind immerhin tausend Jahre, die vergisst man nicht so leicht." Er konnte ihm nicht erzählen, warum sein Vater ihn so behandelte... noch nicht.
"Können wir weiterziehen? Es ist eine schöne Stadt, aber ich fühle mich hier gerade unwohl..."
Kilean nickte. "Unsere Wege müssen sich für eine kurze Zeit trennen... ich habe einen Ruf vom Zirkel des Cenarius erhalten... und als Druide bin ich verpflichtet, diesem Ruf zu folgen. Ich komme so schnell ich kann zurück, das verspreche ich dir."
"In Ordnung. Ich warte hier auf dich."
"Such dir eine Beschäftigung bis dahin. Irgendwas findest du bestimmt."
Tandral nickte und Kilean begann die Beschwörung, die ihn zur Mondlichtung bringen würde. Das letzte, was er sah bevor die Luft um ihn herum verschwamm war Tandrals leichtes Lächeln.

Ankunft


Als die Nacht sich über Teldrassil neigte, überkamen Kilean das erste Mal leichte Zweifel.
Was, wenn es doch Tandral war? Er hatte sich nie wirklich mit seinem Tod abgefunden. Er hatte sich nie verziehen, dass er den Krieger auf der fatalen Expedition in Silithus' Süden nicht hatte begleiten können.
Wenn er nach Dolanaar reiste und sich vergewisserte, dass es sich nicht um Tandral handelte, könnten seine Gedanken vielleicht endlich in Frieden ruhen.
Er beschloss, am nächsten Morgen den Weg nach Dolanaar anzutreten. Er hatte ohnehin gerade nur wenig hier zu tun.



Der Pfad nach Dolanaar war nicht allzuweit und im Großen und Ganzen gefahrlos. Ab und an griff ihn eine streunende Spinne oder ein Nachtsäbler an. Insgeheim machte er sich Sorgen. Die Tiere auf Teldrassil waren seit kurzem unheimlich aggressiv geworden. Immer wieder hörte man von Verletzungen, zum Glück bisher ohne tödlichen Ausgang.

Dolanaar war nicht mehr als zwei Stunden von Aldrassil entfernt und so konnte er relativ bald seinen Blick über die kleine Nachtelfensiedlung schweifen lassen. Er zögerte. Vielleicht wäre es am Besten, sich erst einmal umzuhören, was die hier lebenden Nachtelfen über den Verletzten zu erzählen wussten.
Ein Teil von ihm sträubte sich, Gewissheit zu erlangen. Tausend Jahre lang hatte er immer wieder gehofft, etwas zu hören. Ein Lebenszeichen. Mit der Zeit immer seltener, doch ganz aufgegeben hatte er nie. Doch jetzt... die Tore in die verfluchten Ruinen, die man als Ahn'Qiraj kannte, standen offen. Wenn Tandral noch lebte... wüsste man es jetzt.


Viel wusste man hier nicht. Weder den Namen, noch das Alter des Verletzten. Als er hörte, dass seine Haare so grün waren wie das Laub an den Bäumen, glomm die Hoffnung erneut - aber er besann sich. Grüne Haare waren keine Seltenheit. Viele, die im Krieg gegen die Silithiden umgekommen oder verschollen waren, besaßen diese Haarfarbe. Den Erzählungen nach zu urteilen, war er nach wie vor ohne Bewusstsein. Einige behaupteten, er sei grausam entstellt, wieder andere nur, er habe ein Auge verloren.

Am Ende, so wusste Kilean, würde ihm wohl nichts anderes übrigbleiben, als sich selbst ein Bild zu machen.

Dienstag, 14. September 2010

Nach Dolanaar


Seit sein Volk Teldrassil erschuf, hatte Kilean Wirbelblatt es auf sich genommen, das Wachstum des Baumes in der Gegend um das Laubschattental zu beobachten.
Er erledigte seine Arbeit gewissenhaft und war soeben erst seinen täglichen Bericht abliefern, als eine der Schildwachen ihn anhielt und mitteilte, Mardant Starkeiche hätte nach ihm verlangt.
Kilean nickte knapp und beschloss, Mardant nicht warten zu lassen. Er verstand sich mit dem älteren Druiden recht gut; er wusste, dass er sicher nicht ohne Grund nach ihm rufen ließ.








Der andere Druide begrüßte ihn freundlich, als er den Raum betrat. "Ah, Kilean. Schön, dass du so schnell kommen konntest."
"Worum geht es?", erkundigte er sich.
"Gestern sprach ein reisender Händler aus Dolanaar mit mir. Er sprach von einem Verletzten, den sie dort wohl wieder gesund pflegen. Angeblich ist es ein Angehöriger unseres Volkes, der beim letzten Vorstoß gegen die Silithiden aus den Ruinen geborgen wurde. Man sagt er sei dem Wahnsinn verfallen gewesen", erzählte Mardant.


Kilean schwieg. Er drehte sich um und ging wieder. Im Türrahmen hielt er inne und drehte sich zu Mardant um. Zornig hob er die Stimme.
"Du weisst genau wie ich, dass es tausend Jahre her ist! Ich werde meine Zeit nicht damit verschwenden, einem Phantom hinterherzujagen. Es ist völlig unmöglich, dass Tandral noch lebt!"