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Mittwoch, 29. September 2010

Blinde Wut

Lange hielt es sie auf Teldrassil nicht. Vor allem Kilean nicht. Er wusste, die größte Chance, Tandrals Erinnerungen wieder herzustellen wäre es, ihn mit dem zu konfrontieren, was den Verlust erst verursacht hatte.

Den Silithiden. Doch bis nach Silithus war es ein weiter Weg und oft wurden die beiden aufgehalten und um Hilfe gebeten. Ob es nun darum ging Relikte und Manuskripte aus einem uralten Höhlensystem am Zoramstrand zu bergen oder rebellierende Gefangene auszuschalten - die beiden Reisenden schlugen kein Gesuch nach Hilfe ab.

Sie gingen den Spuren einer verschollenen Schildwache nach und trafen dabei auf die blutdürstigen Worgen.

Doch im Eschental selbst sollte Tandral auch feststellen, dass Kilean eine Seite jenseits von Geduld, Vernunft und Vorsicht hatte.

Ihnen wurde aufgetragen, einige der rücksichtslosen Orcs auszuschalten, die in ihrer Gier den Osten des Eschentals rodeten. Der ruhige Druide verfiel regelrecht in einen Blutrausch. Ohne Gnade schlachtete er die Orcs ab. Erst nach einem eher engeren Scharmützel legte er eine Pause ein und bat die Kräfte der Natur um Heilung.

"Sei gefälligst vorsichtig, ich kann nicht immer auf dich aufpassen", blaffte Kilean seinen Gefährten an. 

"Ich frage mich eher, ob ich nicht besser auf dich aufpassen sollte", entgegnete Tandral ruhig.

"Was willst du mir damit sagen?"

"Sieh dich um." Tandral deutete auf das Land um sie herum. "Dies ist ein Schlachtfeld."

"Ich sehe nur sterbenden Wald", meinte Kilean zornig, "und Orcs, die dieses Land besudeln."

"Und ich sehe die Leichen, die deinen Weg pflastern, Freund."

"Worauf willst du hinaus?"

"Was glaubst du, hast du in den letzen Minuten getan?"

"Meine Pflicht. Die Natur vor diesen Monstern zu schützen", erwiderte Kilean überzeugt.

"Du schützt also die Rehe, indem du die Wölfe ausrottest."

Trotzig schwieg der Druide. "Das, was du hier angerichtet hast, wäre genau das."

"Sie gehören nicht hierher!", fuhr Kilean ihn an.

"Aber sie sind hier." - "Das kann und werde ich ändern." - "Blindheit hat uns schon einmal getrennt, Kilean."

"Sie haben Cenarius kaltblütig ermordet! Soll ich einfach zusehen, wie sie das Eschental dem Erdboden gleichmachen?!"

"Nein, aber das hier ist nicht der richtige Weg. Ich sehe, dass sie unseren heiligen Wald zerstören. Aber ich sehe auch den blinden Hass in deinen Augen. Würdest du vor einem Orckind haltmachen?"

"Ich...", stammelte Kilean unsicher. Zutiefst beschämt sah der Nachtelf zu Boden.

"Du bist der Druide von uns beiden. Deine Aufgabe ist es, das Leben zu schützen. Meine ist es, für unser Volk zu kämpfen. Lass du mir mein Aufgaben - auch wenn es Cenarius' Mörder sind, die wir am Leben lassen."

Langsam nickte Kilean. "In Ordnung. Übernimm du die Führung. Ich bleibe an deiner Seite. Lass uns unsere Aufgaben hier erledigen und dann von hier verschwinden."

Viele Kämpfe meidend und nur tötend, wenn es unausweichlich war, setzten sie ihren Weg fort.


Später, im nebligen Licht der Abenddämmerung stieg Kilean noch einmal auf einen Hügel am Rand des Lagers. Über die gerodete Fläche blickend, überlegte er, ob sie nicht einen Fehler machten. Aber doch gab er Tandral Recht. Er war blind vor Wut gewesen.

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