Seiten

Mittwoch, 29. Dezember 2010

Kataklysmus

"Gleich ist der Schmerz vorbei, Kleines", redete Kilean behutsam auf das ängstliche Mammutjunges ein, während er dessen Wunde mit einer Kräutersalbe behandelte. Tandral war bereits weitergeritten und sah ungeduldig zurück.
"Beeil dich", rief er zurück. "Wir wollen heute noch in Sternruh ankommen, schon vergessen?" Der Druide nahm seinem Freund die Ungeduld nicht übel. Aber er konnte das Leid hier auch nicht einfach mitansehen. Er wusste, warum ihm Hemet Nesingwary bei den wenigen Begegnungen nie sympathisch war...
"Ich komme schon", rief er Tandral zu. Er strich dem verängstigten Tier noch einmal über den Rücken, dann trat er einen Schritt zurück und sah zu wie das Mammutjunge ihn vorsichtig beobachte und dann langsam davonhinkte.
Er konzentrierte sich für einen Moment, dann nahm er die flinke Gestalt der Raubkatze an und preschte dem Krieger hinterher.
Sie kamen auf dem weiteren Weg gut voran, von Sternruh trennten sie nur noch ein, zwei Stunden Reise. Da sowohl Kilean als auch Tandrals Nachtsäbler von dem zügigen Tempo erschöpft waren, legten sie eine Rast ein. Der Druide verwandelte sich zurück und sah sich besorgt um. "Was ist los?"
"Irgendetwas... stimmt nicht. Die Katzeninstinkte schrieen mich die ganze Zeit förmlich an, Tod, Gefahr, Flucht, das war alles woran sie denken konnten." Der Krieger zog sein Schwert. "Untote etwa?"
"Nein. Ich glaube nicht, dass... es in unserer unmittelbaren Nähe ist."
Tandral blickte den Druiden verständnislos an. "Wenn es nicht in unserer Nähe ist, ist es doch egal, immerhin sind wir dann-"
Die Welt um sie herum erbebte und schien aus den Fugen zu geraten – aus dem Süden war selbst von hier eine gewaltige Feuersäule mitten auf dem Meer zu erkennen. "Der Mahlstrom!" rief Kilean, aber seine Stimme ging in dem gewaltigen Getöse unter und das Meer bäumte sich regelrecht auf.
Nur Sekunden später fegte eine Flutwelle über sie hinweg, die so in Nordend noch nie gesehen wurde.
Der Krieger versuchte sich über Wasser zu halten, wurde aber vom Sog mitgerissen, Kilean wechselte gerade noch in die Gestalt des Seelöwen, aber selbst so riss die Welle ihn unbarmherzig mit.

Genauso schnell und brutal wie die Welle gekommen war, legte sich die Wut der Natur scheinbar wieder und es wurde ruhig. Genauso gemächlich wie zuvor plätscherten die Wellen gegen das Ufer, der kalte Wind trieb einige Schneehaufen vor sich her.
Durchnässt, mitgenommen und ein wenig orientierungslos rappelte Kilean sich auf, nachdem er zurück in seine nachtelfische Gestalt gewechselt war.
"Tandral?" Er erhielt keine Antwort. "Tandral? Wo bist du? Alles in Ordnung?" In seiner Stimme schwang Sorge mit und aufmerksam sah er sich um. Der Nachtelf musste doch hier irgendwo...
"Mir geht es gut – denke ich", ertönte es links von ihm. "Was bei Elune war das?"
"Ich weiß es nicht genau. Aber ich kann spüren, wie die ganze Welt in Aufruhr geraten ist. Als ob die Erde in Schmerzen aufschrie. Als ob... Xaxas..."
"Der Erdwächter, Neltharion? Aber das ist..."
"Unmöglich, oder zumindest dachten wir das. Wir sollten Sturmwind einen Besuch abstatten, sobald wir können... da wird man sicher mehr wissen. Menschen tratschen gerne..."